Das neue Aktienrecht ab 1. Januar 2023 – Handlungsbedarf für Unternehmen

Das neue Aktienrecht ab 1. Januar 2023 – Handlungsbedarf für Unternehmen

Am 1. Januar 2023 ist das erheblich revidierte Aktienrecht in Kraft getreten, welches sowohl für Aktiengesellschaften als auch Gesellschaften mit beschränkter Haftung Neuerungen bringt. Das Aktienrecht wurde modernisiert und auf das neue Rechnungslegungsrecht abgestimmt. Zudem profitieren die Unternehmen von flexibleren Gründungs- und Kapitalbestimmungen. Im Folgenden werden ausgewählte Neuerungen kurz vorgestellt und der sich daraus ergebende Handlungsbedarf für kleine und mittlere Unternehmen wird aufgezeigt.

1. Was hat sich geändert?

Neben einigen Neuerungen, die nur börsenkotierte oder Gross-Aktiengesellschaften betreffen (z.B. die Überführung der Bestimmungen der Verordnung gegen übermässige Vergütungen bei börsenkotierten Aktiengesellschaften in das Obligationenrecht, Einführung von Geschlechterquoten im Verwaltungsrat und in der Geschäftsleitung), wurden zahlreiche Bestimmungen angepasst oder aufgehoben, die sich nach bisherigem Recht als unpraktikabel erwiesen haben.

1.1. Kapital und Reserven

Das Aktien- und Stammkapital kann neu auf eine zulässige Fremdwährung (USD, EUR, GBP und YEN) lauten, wenn diese Währung für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft wesentlich ist. Ein Währungswechsel ist jeweils zu Beginn eines Geschäftsjahres möglich und benötigt einen Beschluss der General- bzw. Gesellschafterversammlung. Der Mindestnennwert von Aktien und Stammanteilen wurde aufgehoben. Zulässig ist neu ein beliebiger Nennwert über Null.

Das genehmigte Kapital bei Aktiengesellschaften wird durch das neue Instrument des Kapitalbandes ersetzt. Der Verwaltungsrat kann in den Statuten ermächtigt werden, das Aktienkapital während einer Dauer von maximal fünf Jahren innerhalb bestimmter Grenzen zu erhöhen und/oder herabzusetzen. Kapitalherabsetzungen sind nur dann erlaubt, wenn auf die eingeschränkte Revision der Jahresrechnung nicht verzichtet wurde.

Die Verfahren der ordentlichen Kapitalerhöhung und -herabsetzung wurden angepasst, präzisiert und erleichtert.

Die Bestimmungen über die (beabsichtigte) Sachübernahmen wurden aufgehoben. Die Liberierung durch Sacheinlage wurde vereinfacht und präzisiert und die Zulässigkeit einer Liberierung durch Verrechnung mit einer Forderung gegen die zu gründende Gesellschaft wurde gesetzlich verankert.

Die bestehende bundesgerichtliche Praxis, wonach die gesetzlichen Kapitalreserven an die Aktionäre zurückbezahlt werden dürfen, wird im Gesetz nun ausdrücklich vorgesehen.

Neu kann die General- und Gesellschafterversammlung gestützt auf einen Zwischenabschluss die Ausrichtung einer Zwischendividendebeschliessen.

 

1.2. Aktionärs- und Gesellschafterrechte

Die Schwellenwerte für das Einberufungs- und Traktandierungsrecht wurden gesenkt. Das Recht zur Einberufung einer General- bzw. Gesellschafterversammlung erfordert bei nicht börsenkotierten Gesellschaften eine Beteiligung von 10% des Aktien- bzw. Stammkapitals oder der Stimmen, während das Recht zur Traktandierung von Verhandlungsgegenständen neu eine Beteiligung von 5% verlangt.

Neu können Aktionäre, die mindestens 10% des Aktienkapitals oder der Aktienstimmen halten, auch ausserhalb der Generalversammlung Fragen stellen, die der Verwaltungsrat innerhalb von vier Monaten beantworten muss. Zudem sind die Antworten des Verwaltungsrates spätestens an der nächsten Generalversammlung zur Einsicht für die Aktionäre aufzulegen.

Die Geschäftsbücher können von Aktionären eingesehen werden, die zusammen mindestens 5% des Aktienkapitals oder der Aktienstimmen halten, sofern dies für die Ausübung ihrer Rechte erforderlich ist und keine Geschäftsgeheimnisse oder andere vorrangige Interessen der Gesellschaft gefährdet werden.

Für gesellschaftsrechtliche Streitigkeiten können neu für die Gesellschaft, die Organe und ihre Mitglieder sowie die Aktionäre bzw. Gesellschafter verbindliche Schiedsklauseln in den Statuten vorgesehen werden.

Der Katalog von wichtigen Beschlüssen, auf welche das qualifizierte Quorum von 2/3 Anwendung findet, wurde ausgeweitet.

 

1.3. Aktionärs- und Gesellschafterrechte

Der Inhalt der Einberufung der General- bzw. Gesellschafterversammlung wurde näher präzisiert.

Neu müssen der Geschäftsbericht sowie der Revisionsbericht nur dann den Aktionären zugestellt und physisch aufgelegt werden, wenn sie nicht elektronisch zugänglich gemacht werden.

Künftig können Beschlüsse der Universalversammlung (Versammlung ohne Einhaltung der für die Einberufung vorgeschriebenen Formvorschriften) auf dem Zirkularweg (schriftlich oder elektronisch) gefasst werden, sofern nicht ein Aktionär bzw. Gesellschafter die mündliche Beratung verlangt.

Die Durchführung einer General- und Gesellschafterversammlung mit rein elektronischen Mitteln (virtuelle GV ohne Tagungsort) wird unter gewissen Voraussetzungen erlaubt, ebenso die Durchführung an mehreren Tagungsorten oder an Orten im Ausland. Schliesslich wird die GV auch in hybrider Form stattfinden können, bei der einige Aktionäre bzw. Gesellschafter anwesend sind und andere ihre Rechte auf elektronischem Wegausüben. Diese neuen Formen der digitalen GV setzen hohe Anforderungen an die Technik, da stets der korrekte Ablauf und der Meinungsaustausch unter den Aktionären bzw. Gesellschaftern gewährleistet sein muss. Hierfür ist der Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsführung verantwortlich.

Der Mindestinhalt des GV-Protokolls wird teilweise neu geregelt und ergänzt.

 

1.4. Verwaltungsrat und Geschäftsführung

Das Recht des Verwaltungsrates bzw. der Geschäftsführung erfährt bei nichtkotierten Gesellschaften nur kleine Änderungen. Hervorzuheben ist, dass eine Beschlussfassung im Verwaltungsrat auch auf elektronischem Weg zulässig ist, wenn nicht ein Mitglied die mündliche Beratung verlangt. Neu wurde auch präzisiert, dass die Gültigkeit des Zirkulationsbeschlusses keine Unterschrift erfordert.

 

1.5. Revisionsstelle

Im Gegensatz zum heutigen Recht kann die General- bzw. Gesellschafterversammlung die Revisionsstelle vor Ablauf der Wahlperiode nur noch aus wichtigen Gründen abberufen. Die Gründe für die Abberufung müssen zudem im Anhang zur Jahresrechnung offengelegt werden.

 

1.6. Finanzielle Notlage

Grundlegend überarbeitet wurden die Bestimmungen über die Gesellschaft in finanzieller Krise. Neu wird der Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsführung ausdrücklich verpflichtet, die Liquidität der Gesellschaft zu überwachen und geeignete Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit der Gesellschaft zu treffen. Wenn der Gesellschaft die Zahlungsunfähigkeit droht, so ist der Verwaltungsrat bzw. die Geschäftsführung fortan verpflichtet, mit gebotener Eile Massnahmen zur Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit und, soweit notwendig, weitere Massnahmen zur Sanierung der Gesellschaft zu ergreifen. Daneben bleiben die bestehenden Pflichten des Verwaltungsrates bzw. der Geschäftsführung im Falle von Kapitalverlust oder Überschuldung mit gewissen Klarstellungen und Anpassungen bestehen.

Die Voraussetzungen für einen gültigen Rangrücktritt werden neu im Gesetz ebenfalls festgehalten. Der Rangrücktritt muss nebst dem geschuldeten Betrag auch die Zinsforderung während der Dauer der Überschuldung umfassen.

Zudem muss eine überschuldete Gesellschaft mit Opting-out (also ohne Revisionsstelle) neu ihre letzte Jahresrechnung zwingend der eingeschränkten Revision unterziehen.

2. Wo besteht Handlungsbedarf ?

Der Gesetzgeber sieht vor, dass die Statuten und internen Reglemente (z.B. Organisationsreglement) der am 1. Januar 2023 im Handelsregister bereits eingetragenen Gesellschaften innerhalb von zwei Jahren, d.h. bis am 31. Dezember 2024, an das neue Recht anzupassen sind. Werden die Anpassungen nicht vorgenommen, werden alle Bestimmungen, welche der neuen Gesetzgebung widersprechen, nach Ablauf der Übergangsfrist automatisch ungültig und die gesetzliche Regelung ist direkt anwendbar. Gleichwohl empfiehlt es sich, dass Unternehmen ihre Statuten und Reglemente mit dem neuen Recht in Einklang bringen. Sonst entsteht die unerwünschte Situation, dass Regelungen in den Statuten nicht mehr gelten, ohne dass dies eventuell bemerkt wird.

Damit Unternehmen zudem von der grösseren Flexibilität und den neuen Instrumenten (z.B. Durchführung einer virtuellen GV oder einer GV im Ausland) profitieren können, ist eine entsprechende statutarische Grundlage notwendig. Auch das zulässige Abweichen von der dispositiven Ordnung (z.B. Verzicht auf einen unabhängigen Stimmrechtsvertreter bei rein virtuellen GV) erfordert eine entsprechende Statutenbestimmung. Erforderlich dafür ist ein Beschluss der General- bzw. Gesellschafterversammlung inkl. öffentlicher Beurkundung.

Es lohnt sich somit, die folgenden Gesellschaftsdokumente sowie die internen Abläufe zu überprüfen, wo notwendig zu überarbeiten und allfällig gewünschte Modernisierungen einzuführen:

  • Statuten
  • Organisationsreglement
  • Prozesse betreffend die Vorbereitung, Einberufung und Durchführung von General- bzw. Gesellschafterversammlungen
  • Einladungen und Protokolle
  • Aktionär- bzw. Gesellschafterbindungsverträge
  • Rangrücktrittsvereinbarungen

Gerne unterstützen wir Sie dabei, von den Modernisierungen optimal profitieren zu können und die neuen Möglichkeiten angepasst auf Ihre Bedürfnisse umzusetzen.

Haben Sie weitere Fragen? @vocate hilft Ihnen gerne weiter.

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